Ligatur Vandoren Klassik

Es war einmal vor langer Zeit, als das Wünschen nicht immer geholfen hat, da mussten Klarinettisten und natürlich auch Saxophonisten ihre Blätter noch mittels einer festen Schnur am Mundstück befestigen. Das dauerte lang, erforderte einige Geschicklichkeit und nervte insbesondere in Stresssituationen, wenn das Blatt etwa aufgrund eines Risses während der Aufführung gewechselt werden musste.

Dann traten Erfinder auf den Plan und reichten den Saxophonisten einfache, aber wirksame Ligaturen, die zwar nicht sonderlich sensibel, dafür aber einfach zu handhaben waren. Den Klarinettisten war das zunächst zu simpel, während Saxophonisten Neuerungen gegenüber auch heute noch aufgeschlossener sind und diese Ligaturen sogleich freudig einsetzten. Wieder vergingen viele Jahre, bis irgendwann jemand auf die Idee kam, die oftmals ungelenk anmutende Verbindung von Blatt und Mundstück akustisch und mechanisch zu hinterfragen. Die seit den 60er Jahren konstant steigende Zahl der Saxophonisten machte eine Fertigung im größeren Stil attraktiv und so entstand Schritt für Schritt eine ganze Reihe unterschiedlicher Konzepte, von denen jedes Einzelne unterschiedlichen Einfluss auf die Schwingung des Blattes und damit auf den Klang ausübte.

Von der Bandligatur aus Leder über komplexe Systeme aus Metall, von denen die Optimum-Ligatur der Firma Vandoren mit ihren drei unterschiedlichen Kontaktflächen und der trickreichen Art und Weise der Befestigung des Blattes sicherlich die längste Entwicklungsarbeit erforderte, bis zu spartanischen Ideen wie der Blattschraube von Pascal Brancher, der einfach nur darauf baut, den Kontakt von Ligatur und Mundstück auf ein Minimum zu reduzieren, reicht seitdem das breite Angebot, aus dem Saxophonisten wählen können.

Und auf einmal dreht Vandoren das Rad der Geschichte zurück. Aber nur ein wenig. Mit der Stoffligatur Klassik (was den Kreis der Anwender nur scheinbar verengt) haben die findigen Franzosen nämlich bereits vor ein paar Jahren eine Blattschraube auf den Markt gebracht, die nicht ganz zufällig optisch an die Zeit der Anfänge des Saxophons erinnert. Allerdings entfällt nun lästiges Gefuddel mit der Schnur– stattdessen hat man aus dieser eine Art konisch zulaufender Hülle gewoben, die man über Mundstück und Blatt stülpen und anschließend mittels zweier Schnüre ein wenig festziehen kann. Das war in meinem Fall der Punkt, an dem ich mich an die Argumente zahlreicher Ligatur-Päpste erinnerte, die auf maximale Schwingungen durch minimalen Kontakt zum Mundstück schwören, während dieser „Strumpf“ alles andere als einen geringen Kontakt suggeriert. Mein Kollege bei Vierfarben Saxophon berichtete hingegen von seiner Erfahrung als Juror beim Saxophonfestival in Krakau, dass just alle Finalisten und Gewinner mit exakt dieser Ligatur angetreten wären und damit hinreißend klingen würden. Zufall?

Sagen wir es mal anders: Wer in die Grenzbereiche des musikalisch Machbaren vordringt, ist um jede Erleichterung froh, die das Material verschaffen kann. Die Ligatur sitzt an einer entscheidenden Schnittstelle zwischen Musiker und Instrument und prägt nicht nur Ansprache und Frequenzband, sondern auch den Grundklang – da probiere ich das Ding doch einfach mal aus. Geliefert wird die Ligatur auf einem kleinen Stück Holz mit einer eher rustikal anmutenden Lederkappe, die den Vintage-Charakter wohl unterstreichen soll und tadellos passt. Vandoren verspricht die leichte Montage, was ich nur eingeschränkt bestätigen kann. Man muss das gute Stück sehr genau über das Mundstück (in meinem Fall das Vandoren AL 3) stülpen, mit den Fingerspitzen in Richtung Bogen und dann mit den Schnürchen nach Art eines Korsetts nachziehen. Das sorgt dennoch nicht für festen Halt, denn schon beim ersten Nachstimmen verrutscht die Ligatur und mahnt den Saxophonisten zum Nachfetten des Korks. Hier wird das Blatt wirklich nur minimal an den Tisch des Mundstücks gedrückt.

Was mechanisch eher anstrengend ist, wirkt sich für Freunde des warmen und obertonreichen Klangs akustisch allerdings vorteilhaft aus. Die Ansprache ist ausgezeichnet, bei perfekter Justierung des Blattes sogar noch etwas besser als bei der Optimum-Ligatur und der Klang unfassbar weich, rund, voll und dennoch nie dumpf oder muffig – für Klassik-Spieler also definitiv ein Angebot, das man nicht ausschlagen sollte. Multiphonics sprechen besser an, Top-Tones ebenfalls und ich bin verblüfft, wie groß der klangliche Unterschied ausfällt! Allerdings sollte man nicht von „besser“ oder „schlechter“ sprechen. „Anders“ trifft es sehr genau, denn als Solist im Orchester würde ich aufgrund des helleren Klangs durchaus die Optimum-Ligatur vorziehen und bei den Brancher-Mundstücken passt die Ligatur des Erbauers einfach perfekt. Die Vandoren Klassik-Ligatur bietet nun allerdings eine weitere Option, nämlich den vermutlich wärmsten Klang, den eine Ligatur überhaupt formen kann. Und das ist einfach toll. Vorausgesetzt, das Mundstück passt zu dieser Klangidee. Der oben genannte Kollege will allerdings auch schon auf seinem Jazz-Mundstück festgestellt haben, dass diese Ligatur hochinteressante Ergebnisse bringt. Und da sein erster Tipp so gut war …